Maria Moog-Grünewald ist Literaturwissenschaftlerin mit Lehrstuhl für Romanische Philologie und Vergleichende Literaturwissenschaft an der Eberhard Karls Universität Tübingen seit 1992
Vorlesung im Rahmen des ‚Studium generale‘
Mi 18 h c.t.
Kupferbau, Hörsaal 22
Am Anfang steht eine Beobachtung: Es gibt in der Literatur des 19. und 20. Jahrhunderts Verfahren und Strukturen, die man tentativ als ‚Schreiben ohne Ende‘ oder gar als ‚erschriebene Unendlichkeit‘ bezeichnen könnte: Charles Baudelaires Les Fleurs du Mal zum Beispiel oder André Gides Paludes, auch Les Faux-Monnayeurs; oder Henri Michaux‘ Ideogramme, der Nouveau Roman, hier insbesondere La Jalousie und Le Voyeur, oder auch der Film L’Année dernière à Marienbad von Alain Resnais; oder auch Werke von Borges und Calvino. Die Frage, die sich stellt, ist folgende: Gibt es für eine spezifische Ästhetik und Poietik der Moderne, näherhin für eine Ästhetik und Poietik der ‚Unendlichkeit‘, philosophische, gar theologische Voraussetzungen? Dies umso mehr, als insbesondere in der deutschen Romantik ‚Unendlichkeit‘ geradezu ein philosophischer und ästhetischer Schlüsselbegriff ist?
Die Vorlesung unternimmt es – wiederum tentativ -, darauf eine Antwort zu geben, indem sie im Ausgang von Kunst und Philosophie der Romantik zunächst zurückgeht auf die geradezu revolutionäre Kosmologie und Metaphysik Giordano Brunos und dessen Auseinandersetzung mit Aristoteles sowie – in ganz anderer Weise – mit Nikolaus von Kues. Dabei werden weitere philosophische und insbesondere auch theologische Konzepte der Unendlichkeit von der Antike über die Patres bis in die Epoche der Renaissance und darüber hinaus bis zu Leibniz und den Barock thematisiert und – soweit möglich – durch Beispiele aus der Literatur und Kunst erhellt. Im zweiten Teil der Vorlesung stehen Werke insbesondere der deutschen, italienischen und französischen Literatur und Kunst im Mittelpunkt. Im ganzen soll Unendlichkeit als Denk- und Anschauungsfigur in Theologie, Philosophie, Kunst und Literatur – mit kleinem Seitenblick auf die Mathematik – ausgewiesen werden, und dies nicht so sehr systematisch als assoziativ.
23.10.2013: Das Unendliche – eine Einführung
30.10.2013: Aussichten ins Unermeßliche: C.D. Friedrich und die Landschaftsmalerei der Romantik
06.11.2013: Unendliche Perfektibilität: Anmerkungen zu Ästhetik und Poetik der deutschen Romantik
13.11.2013: Giordano Bruno, das unendliche Universum und die Folgen
20.11.2013: Die Unendlichkeit Gottes
27.11.2013: „Le silence éternel de ces espaces m’effraie“: Blaise Pascal
04.12.2013: Die ‚Falte‘ ins Unendliche: Barock und Rokoko
11.12.2013: Giacomo Leopardis L’infinito: Unendlichkeit als ästhetische Erfahrung
18.12.2013: „Le goût de l’infini“: Charles Baudelaire
15.01.2014: (Un)endliche Fahrt: Homer, Dante, Rimbaud
22.01.2014: Schreiben ohne Ende: Marcel Proust und Die Suche nach der verlorenen Zeit
29.01.2014: FINALE
Hauptseminar
Mo 14-17 Uhr
Raum: 327
„Le monument littéraire suprême du XXe siècle. Le chef-d’œuvre des chefs-d’œuvre.” Dieser Kennzeichnung eines Anonymus ist nichts hinzuzufügen. Gegenstand des Seminars ist die aufmerksame Lektüre insbesondere des ersten (Du côté de chez Swann) und des letzten Bandes (Le Temps retrouvé) des insgesamt siebenteiligen Romanwerks A la recherche du temps perdu: dessen historische, thematische und kunsttheoretische Aspekte kommen zur Sprache, mithin die Recherche als Roman einer Epoche, als Roman einer Berufung, als Roman der Kunst und als Roman der Erinnerung – nicht im Neben- oder Nacheinander, vielmehr in der der proustschen Écriture eigenen Interaktion. Hinzukommt die Analyse von Verfilmungen sowie die Transposition in ‚la bande dessinée‘.
Eine Liste mit Angaben zur Forschungsliteratur steht den Teilnehmern ab dem 15. September über ILIAS (Passwort: Proust) zur Verfügung.
Empfohlene Ausgabe: Marcel Proust: A la recherche du temps perdu, texte intégral établi sous la direction de Jean-Yves Tadié, Paris: Gallimard 1999.
Literarische Übung
Mo 18-20 Uhr
Raum: 327
Ilias und Odyssee sind die – bislang – ersten schriftlich überlieferten Kunstwerke des Abendlandes, Homer gilt als der Begründer der abendländischen Textualität. Homers Lebensraum und Lebenszeit, die Entstehungszeit und Entstehungsweise der Epen sind enbenso Gegenstand der Übung wie insbesondere die genaue Lektüre und Interpretation einzelner herausragender Gesänge der Odyssee. Dabei könnte sich neben anderem zeigen, daß die Odyssee in ihrer Vielgestaltigkeit bereits wesentliche Formen und Genera, Motive und Themen der europäischen Literatur in nuce enthält.
Empfohlene Ausgabe: Homer, Odyssee. Griech.-dt. Übersetzung, Nachwort und Register von Roland Hampe, Stuttgart 2010 (1. Aufl. 1979) [= RUB 18640].